19. April 2024

„Eins in die Fresse, mein Herzblatt!“

So titelte einst der Liedermacher Wolf Biermann und meinte damit seine Ex und die DDR-Obersten. Hat also gar nichts mit Schach zu tun, außer… na ja, auf unseren Oberligakampf am Sonntag gegen Bad Emstal-Wolfshagen passt der Satz auch ganz gut. 2:6 verloren und das völlig zu Recht. Etwaige Aufstiegsträume geplatzt wie chinesische Spionageballons über Amerikas Küsten… 

Aber Kinders, jetzt fängt der Mann schon wieder von hinten an. Also bitte der Reihe nach. Denn angefangen hat das Oberligawochenende in Gernsheim ja schon am Samstag mit dem Wettkampf gegen die Mannschaft von Empor Erfurt. Wir: klar favorisiert, schließlich krebst Erfurt am Ende der Tabelle. Und noch dazu mit Verstärkung an Bord: IM Nicolas Clery, unsere französische Neuerwerbung aus Marseille, hat für uns eine kleine Weltreise unternommen und ist pünktlich am Freitagabend angekommen! Merci beaucoup, Nicolas…

Der Wettkampf läuft dann allerdings… hmm, etwas zäh. Michael Schäfer wollte eigentlich gar nicht spielen, aber bei Michael Wrede ist kurzfristig die gesamte Familie krank geworden, also lässt er sich breitschlagen und wie das dann so ist: Er kommt mit der Eröffnung seines Gegners nicht zurecht, unterschätzt dann auch noch die weißen Angriffsmöglichkeiten und wird ziemlich gnadenlos mattgesetzt. Ein gebrauchter Tag für Michael. Und so steht es ziemlich früh 0:1.

Es ist Babak, der den Ausgleich schafft. Schach im Stil einer Würgeschlange… langsam aber sicher beginnt er Druck am Damenflügel aufzubauen, dann schnappt er zu und heimst ein Bäuerchen ein, bald wird es ein zweites und kurz darauf hat seine überforderte Gegnerin genug. 1:1 

Peter Dittmar und sein Gegner verkeilen sich in einer verrammelten Stellung und schließen folgerichtig irgendwann Frieden. Ich komme auch nicht über ein Remis hinaus, weil ich an einer Stelle einen taktischen Trick übersehe:

 Urban,L – Legde,G [E12]

Oberliga Ost B Mörlenbach-Empor Erfurt (2), 04.02.2023

Hier spielte ich 26. … Lc6? und die Stellung versandete bald darauf. 

Stattdessen hätte 26. …Ld6: 27. Td6: Ld5! 28. Db3 De7 29. Db4 Tc5 eine Qualität gewonnen. 

Wir steuern auf die Zeitkontrolle zu und auf einmal wird es kritisch. Sergey, der nach der Eröffnung in einem Franzosen gegen IM Langheinrich klar besser steht, biegt irgendwann falsch ab und kämpft dann verzweifelt ums Remis, muss aber ganz zum Schluss die Waffen strecken. Vitaly Kunin an Brett eins verteidigt ein eher schlechteres Endspiel gegen GM Teske. Nicolas steht gut, der Gegner laboriert an einem schwachen isolierten Bauern und passiven Figuren, aber klar ist da nichts. Und Christian Böhmer steht zwischendurch auch verdächtig… aber dann hat er auch mal Glück, gewinnt eine Qualität und kurz danach noch einen ganzen Turm, den sein Gegner ihm freundlich hinstellt. 

Also 3:3 und jetzt passiert, was eigentlich immer passiert: Vitaly meldet den ganzen Punkt.

Schachfreund Teske hat sein leicht besseres Endspiel binnen weniger Züge in eine Ruine verwandelt und verlässt unter heftigem Kopfschütteln die Halle. 

Bleibt nur noch Nicolas und er zieht die Nummer durch.

Nach rund 6 Stunden dringt er mit Turm und Dame in die gegnerische Stellung ein und stellt unparierbare Mattdrohungen auf. 5:3 gewonnen und hörbares Aufatmen – das war harte Arbeit! 

Die Spieltagsnachbereitung in der Gernsheimer Pizzeria ist dann ein gelungener Abschluss. Nicolas erweist sich als nicht nur spielstarker, sondern auch persönlich netter Mensch. Wir haben Spaß…der uns am Sonntag gründlich vergeht. 

Bad Emstal/Wolfhagen – Freibauer Mörlenbach 6:2 

Ja, das Spiellokal war zu kalt. Außerdem war schlechtes Wetter und der Kaffee war irgendwie auch nicht gut. Aber ehrlich – viel zu melden hatten wir auch sonst nicht… dazu hilft ein kurzer Blick auf die Mannschaft unseres Gegners: 

1Vitaly Sivuk SWE2530GM2578
3Li Min Peng UKR2540GM2524
4Platon Galperin UKR2538GM2579
6Vladyslav Larkin UKR2441IM2425
7Vadim Petrovskiy UKR2416FM2429
8Valentyn Prokofiev UKR2299FM2249
9Uwe Kersten GER2239IM2232
14Anastasiya Rakhmangulova UKR2275WIM2276

Vor 3 Jahren haben wir gegen eine solche Übermacht mal das Unmögliche geschafft (siehe meinen Artikel im Archiv dieser Webseite), diesmal ist nichts drin. 

Fangen wir mal mit mir an: Indiskutable Leistung. Mit Weiß erhalte ich eine Lehrstunde. Nach 20 sind sämtliche schwarzen Figuren in meine Stellung eingedrungen und ich kann kaum noch was ziehen. Positiv zu vermerken ist, dass ich noch bis Zug 31 durchhalte.

Bei Peter Dittmar läuft es ähnlich schlecht. Der Gegner sackt einen Bauern nach dem andern ein. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier…. Und wenn der letzte Bauer fällt, dich nichts mehr in der Halle hält. 

Und so geht das weiter. Babak hat schnell einen Bauern weniger, fingert dann aber geschickt rum und bekommt noch Gegenspiel. Aber seine Gegnerin findet einen starken Ausweg, opfert an entscheidender Stelle die Dame für Turm, Springer und Freibauern auf der a-Linie und erreicht damit eine Gewinnstellung. 

Nicolas spielt eine interessante Partie, übersieht aber in einer komplizierten Stellung und mit wenig Zeit eine Doppeldrohung, nach der eine Figur von Bord geht.

Zu diesem Zeitpunkt haben wir nur einen halben Punkt auf dem Scoreboard. Michael hat gegen den früheren Hessenmeister Uwe Kersten eine etwas schlechtere Stellung, wehrt sich aber hartnäckig und erreicht eine gerechte Punkteteilung. Christian Böhmer steuert ein weiteres Remis bei, was allerdings wohl eher ein verschenkter halber Punkt ist, denn er hat den Gegner am Rand der Niederlage. Mit wenig Zeit auf der Uhr verpasst er leider eine gewinnversprechende Fortsetzung… remis. 

Bleiben die beiden Spitzenbretter. Sergey muss sich nach 6 Stunden trotz hartnäckigster Gegenwehr dem ständigen Pressing seines Gegners beugen.

Und Vitaly? Der strapaziert die Nerven aller Anwesenden, weil er ein Endspiel Dame + Bauer gegen Dame + Bauer einfach nicht remis gibt. Und was soll man sagen: Nach 7 Stunden (!) schafft er es tatsächlich und der Bauer geht zur Dame.

Ehrentreffer! Aber auch einfach eine beeindruckende Leistung. 

Fazit: Es hat nicht sollen sein. Das Imperium hat zurückgeschlagen. War zu erwarten, weiter geht’s. Wir sind jetzt Tabellendritter, den zweiten Platz in Sichtweite. Ist ja auch nicht schlecht. 

Oberliga Ost B

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4 thoughts on “Oberliga Ost, 6. und 7. Runde

    1. Ja, wenn sich da nicht noch ein „Druckteufelchen“ eingeschlichen hätte.
      Der gegner von Sonntag schreibt sich „Bad Emstal/Wolfhagen“ nicht >Wolfshagen<, also ohne "s". Danke

  1. Kurzfristigen Änderungen sind immer schwer zu verdauen, mit Ausnahme von Babak, der hat wohl wieder an Kinderteller gedacht und spielt unbeeindruckt davon, wer ihm gegenüber sitzt.

    Und gegen ukrainische starke Spieler zu verlieren sehe ich nicht als Schande. Gut gekämpft. Diesmal hat es nicht sollen sein.

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