18. August 2025

Der Internationale Schachverband FIDE sieht grundsätzlich keine „spielenden Schiedsrichter“ vor. Dieses Konzept ist vielmehr eine praktikable Lösung auf Landesebene, um den Spielbetrieb einigermassend zu gewährleisten. Die FIDE schreibt bei Wettkämpfen mit Elo-Auswertung einen Schiedsrichter vor, der keinem der beteiligten Vereine angehört. In der Realität des hessischen Schachverbands bedeutet das bei Mannschaftswettkämpfen, dass Vereine über Schiedsrichter verfügen müssten, die nicht selbst in ihrer Mannschaft spielen, sondern stattdessen eine Begegnung zweier anderer Mannschaften leiten. Oder in anderen Worten bei uns, entweder schiedsrichtern oder spielen!

Da sich in Hessen – wie auch in anderen Landesverbänden – zu wenige Freiwillige für diese Aufgabe finden lassen, gibt es das Konzept des „spielenden Schiedsrichters“. Das ist eigentlich ein Paradoxon weil es bedeutet, dass ein Spieler als nicht unabhängiger Spieler fungiert und gleichzeitig neutraler, objektiver Schiedsrichter der eigenen Begegnung sein soll. Geht wohl kaum anders. Nach den FIDE-Regeln können solche Wettkämpfe dann aber nicht Elo-ausgewertet werden.

Im hessischen Schachverband und seinem Geltungsbereich (Hessenliga, Verbandsliga, Landesklasse) ist in der Turnierordnung so geregelt, dass die Heimmannschaft stets einen Schiedsrichter mit entsprechender Ausbildung stellen muss. Bei Nichteinhaltung drohen Sanktionen.

Unser Vereins-Update

Vor nicht allzu langer Zeit, Ende 2018, verfügte unser Verein über vier ausgebildete Schiedsrichter: Siegfried Reuß jun., Tobias Sach, Daniel Sach und Paulus Wohlfart. Heute sieht die Situation anders aus. Gestern fand eine Schiedsrichter-Fortbildung statt, bei der wir grundlegend wichtige Informationen erhalten haben. Es ging auch um Themen, die uns in der vergangenen Saison aufgrund mangelnden richtigen Wissens zwei Brettpunkte, zwei Mannschaftspunkte und sogar den Aufstieg gekostet haben.

Damit sich solche Fehler in der kommenden Saison nicht wiederholen, habe ich einige wichtige Punkte zusammengefasst:

  • Maximale Spieleranzahl: Im Hessischen Schachverband dürfen maximal 20 Spieler pro Saison in einer Mannschaft eingesetzt werden. Davon müssen acht in der Hessenliga namentlich gemeldet sein. Ein Verein, der in der Vergangenheit gegen diese Regel verstoßen hat, bekam empfindliche Mannschaftspunkte abgezogen.
  • Brettertausch: Stammspieler dürfen Bretter mit ihrem direkten „Nachbarn“ tauschen. Ersatzspieler müssen jedoch immer hinter den Stammspielern eingesetzt werden; ihre Reihenfolge ist dabei nicht festgelegt. Bei falscher Aufstellen verliert interessanterweise nur der Spieler, der falsch aufgestellt ist, nicht automatisch alle folgenden Bretter!
  • Bedenkzeit: In der Hessenliga gelten verkürzte Bedenkzeiten: 90 Minuten für 40 Züge, gefolgt von 30 Minuten für den Rest der Partie, jeweils mit 30 Sekunden Inkrement. Um keine Zeit bei dieser verkürzten Bedenkzzeit zu verlieren, ist es wichtig, pünktlich am Brett zu sitzen.
  • NuLiga-Portal: Die Spielergebnisse müssen innerhalb weniger Stunden nach dem Wettkampf im NuLiga-Portal gemeldet werden. Hier benötigen wir ein verlässliches Netzwerk von fünf bis sechs Mitgliedern, die diese Aufgabe übernehmen können.
  • Regelwidrige Züge: Das ist ein wichtiges Sonderkapitel. Ein regelwidriger Zug kann nur während einer laufenden Partie reklamiert werden. Dazu kann man die Uhr anhalten, um den Schiedsrichter zu informieren.

Die FIDE definiert vier Arten von regelwidrigen Zügen oder Handlungen:

  1. Falsche Ausführung von Zügen: Zum Beispiel eine falsche Rochade oder ein irregulärer En-passant-Schlag. Bei der Rochade muss immer zuerst der König zwei Felder bewegt werden, gefolgt vom Turm mit derselben Hand. Wird zuerst der Turm berührt, muss ein Turmzug ausgeführt werden. Ansonsten gilt die Rochade immer als Königszug. Wird sie falsch ausgeführt, muss an Stelle davon der König einfach ziehen.
  2. Fehler bei der Bauernumwandlung: Der Bauer wird auf die Grundreihe gezogen, die Uhr wird gedrückt und erst dann erfolgt der Figurentausch. Korrekt wäre, den Bauern umzuwandeln und erst danach die Uhr zu drücken. Eine umgedrehter Turm ist im Übrigen kein Ersatz für eine echte Dame, sondern gilt als Turm (auch wenn er umgedreht ist)
  3. Uhr drücken ohne Zug: Ein Spieler drückt die Uhr, ohne einen Zug ausgeführt zu haben. Mein Gegner setzt immer unsauber. Ich bin sauer und korrigiere ihn: „Auf Deine Zeit“. Ich drücke ohne einen Zug zu machen, die Uhr. Dies wird als regelwidrige Handlung gewertet. Bei solchem unsportlichen Verhalten, also Uhr anhalten und Schiedsrichter holen.
  4. Zwei Hände bei einem Zug: Bei Zügen wie der Rochade oder der Bauernumwandlung dürfen niemals zwei Hände gleichzeitig benutzt werden. Es gibt keine regelkonformen Züge, die mit zwei Händen gleichzeitig ausgeführt werden

Warum ist das wichtig? Bei einem regelwidrigen Zug muss in einer langsamen Partie die Stellung zwingend auf den Zeitpunkt vor dem Zug zurückgesetzt werden. Wer in einer Partie mit langer Bedenkzeit zwei regelwidrige Züge ausführt, verliert die Partie sofort nach Ausführung des zweiten regelwidrigen Zuges!

Verhalten und Konsequenzen

  • Figuren zurechtrücken: Figuren dürfen nur während des eigenen Zuges zurechtgerückt werden und dies muss mit dem Wort „j’adoube“ oder „ich rücke zurecht“ angekündigt werden. Das Zurechtrücken während der Bedenkzeit des Gegners kann als Störung gewertet werden.
  • Ablenkendes Verhalten: Spieler, die am Brett stehen, dürfen dass, sie dürfen aber nicht mit dem Kugelschreiber klicken oder irgendwie zappeln oder mit dem Bein wippen. Ansonsten verhalten sich unsportlich und können sanktioniert werden.

Handys und elektronische Geräte:

Ein der wichtigsten Regeln betrifft die Nutzung von Mobiltelefonen und anderen elektronischen Geräten. Sie dürfen ausgeschaltet und in einer Tasche verstaut mit in den Spielbereich gebracht werden. Ein An- oder Berühren während der Partie ist jedoch untersagt, und die Geräte müssen am Platz bleiben. Ausnahmen (z. B. für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr im Bereitschaftsdienst) müssen vor dem Wettkampf mit dem Schiedsrichter abgesprochen werden. Moderne Armbanduhren mit elektronischen Funktionen (Smartwatches, Fitness-Tracker) sind ebenfalls verboten.

Ein eingeschaltetes elektronisches Gerät am Brett führt immer zum sofortigen Partieverlust, ohne Ausnahme und auch ohne Diskussion („… das war nur der Weckerton…, …habe ich ganz vergessen…,… wir sind doch hier unter uns,…das ist das noch nicht die Bundesliga). Die FIDE Regeln gelten etwas modifiziert in Hessen, bis in den tiefen Odenwald hinein.

Das gilt auch, wenn man in der Hektik morgens um 9:11h seinen ersten Zug macht, die Uhr drückt und danach das Handy ausschaltet. Ein guter Weg, diese Regel zu umgehen, ist, Handy und Uhr vor der Partie im Auto zu verstauen. All diese Regeln gelten für alle unsere Mannschaften, unabhängig von der Liga. Aus der Oberliga kommend, ist zumindestens ein Teil unserer Mitglieder „gedrillt“.

Fehlerhafte Anfangsstellung: Wenn Damen und König oder Springer und Läufer in der Anfangsstellung vertauscht sind, muss die Partie immer komplett neu begonnen werden. Es gibt keine Zügezahl bei der bei langsamen Partien eine unkorrekte Ausgangsstellung weitergespielt werden miuss. Die Bedenkzeit kann vom Schiedsrichter neu gestartet oder nach Ermessen angepasst werden. Ist dagegen nur das Brett verdreht (h1 ist kein weißes Feld), so wird die entstandene Stellung kurz auf einem zweiten Brett mit richtiger Orientierung aufgebaut und es geht weiter, so wie es steht.

Fazit und Appell

Wie ihr seht, sind diese Regeln unerlässlich für ein faires Spiel. Es ist die Aufgabe von Schiesdsrichtern aus den eigenen Reihen, sie umzusetzen. Doch wäre es nicht besser, wenn wir mehr als einen Schiedsrichter haben, der die Regeln kennt und dazu beiträgt, ein reibungsloses Spiel zu ermöglichen?

Eine ideale Lösung wäre, wenn in jeder 8er-Mannschaft (also in der ersten und zweiten Mannschaft) mindestens zwei Spieler pro Mannschaft haben, die über eine Schiedsrichterlizenz verfügen. In den 6er- und 4er-Mannschaften sollte es mindestens ein Spieler sein. Bedenkt daberi bitte auch, dass diese Person an den Spieltagen immer anwesend sein muss und dass alle Mannschaften (mit Ausnahme der ersten Mannschaft) zur gleichen Uhrzeit spielen. Es ist keine Sache des Vorstands, sondern eine Angelegenheit jedes einzelnen Mitglieds.

Die Ausbildung zu einem Verbandsschiedsrichter ist dazu der erste Schritt. Das ist eine etwas vereinfachte Form mit weniger strengen Prüfungsregeln am Ende. Ein solcher Kurs dauert etwa 1,5 Tage, macht sogar Spass und kostet rund 30 Euro. Sie erlaubt alle Wettkämpfe auf Hessenebne. Beim Lehrgang an diesem Wochenende waren sechs Teilnehmer aus Gernsheim und ein Jugendlicher aus Neuberg anwesend. Trotz dreimaliger Ankündigung über verschiedene Kommunikationskanäle und Nachfragens war leider niemand von der Bergstraße dabei. Die nächste (interessante und kurzweilige) Ausbildung bei Holger Bergmann findet erst in einem halben Jahr statt.

Ich mag mich in einigen Details irren oder etwas ungeschickt ausgedrückt haben. Doch geht es mir nicht darum, korrigiert zu werden. Ich appelliere an euch: Werdet aktiv und handelt selbst! Beweist, dass ihr reif seid für Gemeinschaft.

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